Israel wird in Deutschland nicht erst seit dem Terrorangriff der islamistischen Hamas am 7. Oktober 2023 überwiegend im Kontext des israelisch-palästinensischen Konflikts verhandelt. Doch spätestens seit dem Überfall der Hamas zeigt sich, wie sehr die Wahrnehmung des Landes in der deutschen Öffentlichkeit durch Projektion, Vereinfachung oder Unkenntnis geprägt ist. Dabei geraten die komplexen innenpolitischen Strukturen und gesellschaftlichen Entwicklungen häufig in den Hintergrund.
Der folgende Vortrag widmet sich der innenpolitischen Architektur Israels. Im Mittelpunkt stehen ihre stabilisierenden Elemente und aktuellen Herausforderungen. Zudem werden die sozialen und politischen Spannungen beleuchtet, die sich in den letzten Jahren weiter verschärft haben – besonders seit der sogenannten Justizreform 2023 und dem Krieg gegen die Hamas. Das politische System Israels konnte sich über mehr als sieben Jahrzehnte hinweg trotz intensiver äußerer Bedrohungen und innerer Spannungen behaupten. Vier Faktoren trugen zur Stabilität der israelischen Demokratie bei: Nationale Kohärenz und jüdische Solidarität, eine überlagerte Sozialstruktur, externe wirtschaftliche Unterstützung sowie eine politisch disziplinierte Elite, die ideologische Auseinandersetzungen im nationalen Interesse weitgehend vermied.
Diese Kombination ermöglichte Israel bemerkenswerte Resilienz trotz Migration, Krisen, innerer Spaltungen und militärischer Konflikte. So entstand eine politische Kultur, die auf pragmatische Verständigung zwischen Gruppen und Parteien setzte, selbst bei Zielkonflikten.
Doch die Bereitschaft zur Verständigung gerät zunehmend unter Druck. Die geplante Justizreform der Regierung unter Benjamin Netanyahu im Jahr 2023 rief massive gesellschaftliche Proteste hervor und offenbarte die Tiefe der sozialen sowie politischen Brüche im Land. Der Krieg gegen die Hamas seit Oktober 2023 hat diese Dynamik zusätzlich verschärft. Mit Blick auf das Jahr 2025 steht Israel vor der Frage, ob seine Kompromissmechanismen künftigen Belastungen standhalten.
Hierbei treten die Sozialstruktur des multiethnischen Landes, die Justizreform, die Koalitionspolitik mit rechtsextremen Parteien und die Wehrpflicht als Integrationsinstrument in den Vordergrund. Letztlich spiegelt sich darin ein Konflikt, der schon seit der Staatsgründung in der Unabhängigkeitserklärung angelegt ist: der Grundkonflikt zwischen dem jüdischen und dem demokratischen Charakter Israels.